30. November 2014
1. SC Essen – BC Oberhausen 2:6

„Meine Tage als Spitzenreiter“ – in diesem Büchlein hat mal ein bekannter Sportjournalist der Süddeutschen Zeitung eine Zeit beschrieben, in der unser heißgeliebter VfL Bochum absolut überraschend über mehrere Wochen die Tabelle anführte, wohlgemerkt die Tabelle der Fußballbundesliga. Für die jüngeren unter euch: das war irgendwann im letzten Jahrtausend, in den 1990er-Jahren, und eine der prägenden Einsichten, die sich mir aus dieser Zeit ungläubigen Rausches eingebrannt hat, ist die folgende: wenn du Spitzenreiter bist, geht‘s eigentlich nur noch bergab! Wir versemmeln in bester VfL-Manier unsere Reifeprüfung gegen unsere alten Kumpel aus Oberhausen und gehen sang- und klanglos mit 2:6 unter! Von wegen Spitzenreiter…

Doch zunächst mal krabbeln am Samstag die Spinnen über unsere Tische, Heuballen wehen durch unseren Glaspalast an der Haedenkampstraße und Bodo reinigt im Schaukelstuhl das leise quietschende Magazin seines Trommelrevolvers: kein Mensch da, alle auf GST-Turnier in Oberhausen! Mit sage und schreibe sechs Mann schlagen wir beim Micha auf: Ismail verliert wie gewohnt das mitternächtliche Finale gegen Miro, Peter und der Stadtschreiber müssen bereits im Achtelfinale die Segel streichen und Kai, Kurt und Mirko bleiben gar in der Gruppenphase stecken – und so wartet der 1. SC Essen in dieser Saison immer noch auf den ersten Turniersieg resp. den ersten Einzeltitel.

Noch sichtlich gezeichnet vom Samstag erscheinen am Verbandsligaheimspielsonntag dann zumindest frisch geduscht und rasiert Baumeister Kai und der Stadtschreiber zum Ligaspiel, Bodo und Yvonne haben alle Fenster mit dicken schwarzen Vorhängen verhangen, so dass kein Fitzelchen Sonnenlicht auf die heiligen Tische fällt, Dennis und Xuzhao haben netterweise schon Kaffee und Brötchen vorbereitet sowie die Tische gesaugt und gebügelt, Micha G. hält sich bereit, falls einer zusammenbricht – kann also losgehen, gefragt sind Steherqualitäten, das Feld von vorne beherrschen, wir in der Rolle des Gejagten und durchaus frohen Mutes.

Die erste Runde gestaltet sich dann sogar noch relativ ausgeglichen mit leichten Vorteilen für uns. Zunächst geht Oberhausen recht überraschend mit 1:0 in Führung, weil Xuzhao sein Spiel trotz echt starken Beginns und Frameführung am Ende unnötig mit 1:2 verliert – postwendend kann hier jedoch der Stadtschreiber mit 2:0 zum 1:1 ausgleichen. Captain Dennis nimmt an Tisch 4 fürchterliche Rache für die Vorsaison (genau: gegen den Prehn aus Oberhausen vom GST-Turnier am Vortag) und schraubt uns mit 2:1 in Führung, welche Kai quasi sofort wieder herschenkt, indem er seine Chancen liegen lässt und sein Match ebenfalls denkbar knapp mit 1:2 verliert. 2:2 zum Pausentee, keine Panik, nix passiert, alles im Rahmen.

Der Captain handelt konsequent und bringt Punktegarant und Geheimwaffe Micha G. für Kai, der sofort nach Berlin aufbricht, die BCOs reagieren prompt und wechseln den einen für den anderen ein. Tja, was soll man sagen, im Match Micha gegen Micha gewinnt der falsche und verliert der richtige, also unser, und wir liegen 2:3 hinten. Der Captain verliert sein zweites Match ebenso unerwartet wie deutlich mit 0:2, und als der Stadtschreiber kurz darauf seinen Stock final gegen die eigene Stirn wemmst, haben wir auch schon verloren: ohne einen einzigen Framegewinn unsererseits in der zweiten Runde steht es 2:5, da macht Xuzhaos fast noch knappes 1:2 nach abermaliger Frameführung zum finalen 2:6 den Kohl auch nicht mehr fett. Applaus, Gelächter, ausgelassen Stimmung und strahlende Gesichter bei uns zu Hause, blöderweise vom Gegner, wir gratulieren artig und fragen uns insgeheim, was uns denn da heute geritten hat, eine solche Partei abzuliefern – und um ganz ehrlich zu sein: ja, wenn schon verlieren, dann von mir aus gegen die Oberhausener, aber verlieren ist trotzdem Scheiße…

Der 1.SC Essen verliert also sein erstes Ligaspiel seit Ewigkeiten, um exakt zu werden und den Pflichten des Stadtschreibers nachzukommen: am 22. April im Jahr des Herrn 2012 verloren zuletzt die Herren Andreas K. , Michael G. und Kai G. in der Oberliga Westfalen zu Hause gegen den BC Horst, doch weder der Captain noch der Vorsitzende des Vorstandes wollten sich nach dem gestrigen Spiel zur Zukunft des Trainers äußern, einzig Dennis ließ sich mit der Aussage zitieren: „Hm, wir haben zwar verloren, aber mir geht’s trotzdem gut!“

Ob das nun die berühmte ruhige Hand ist oder ob hier Alarmzeichen totgeschwiegen werden, wird sich in den nächsten Wochen zeigen – genauso wie die Frage, ob das Team in der Winterpause vielleicht sogar durch Neueinkäufe punktuell verstärkt wird, ob man sich von dem ein oder anderen verdienten Altstar trennen wird, ob das Spielsystem noch das richtige für die zur Verfügung stehenden Spieler ist und ob der Trainer weiter die volle Rückendeckung des Vorstands haben wird – das alles wird maßgeblich von den nächsten Ergebnissen abhängen. Doch, Freunde, lasst euch sagen: nix is ausschließlich positiv, und nix is ausschließlich negativ (hüstel): immerhin dürfen wir uns wieder mal auf ein echtes Revierderby im nächsten Jahr gegen die Lüdenscheider freuen!

Ja, und dann melden wir uns bald wieder, an diesem Ort, an dieser Stelle 😉

Volker